Produktnachahmungen international: Alles nur geklaut?

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Hersteller orientieren sich bei der Entwicklung neuer Produkte für ihr Sortiment gerne am Markt. Dass ein Produkt geschaffen wird, dessen Design es noch nie so oder so ähnlich gab, ist die Ausnahme. Als das iPhone und das iPad auf den Markt kamen, war so ein Moment. Samsung zog nach. Apple versuchte, Samsung den Verkauf seines Tablets verbieten zu lassen, weil es dem iPad zu ähnlich sah. Das gelang nach mehreren Verfahren durch die Instanzen nur teilweise. Das Verbot wurde am Ende nicht wie begehrt für die ganze EU ausgesprochen, sondern nur für Deutschland. Denn in der übrigen EU wie auch in fast allen anderen Ländern der Welt sind solche Verbote schwieriger zu erstreiten als in Deutschland.


In nahezu allen Ländern existieren nationale Gesetze zum Thema Design. Auch in Deutschland gibt es ein Designgesetz, ebenso in allen anderen europäischen Staaten. Bei den nationalen Ämtern wie dem DPMA können Unternehmen die Designs ihrer Produkte für 25 Jahre schützen. Dazu müssen sie sie eintragen lassen. Schutz bekommen jedoch nur solche Designs, die neu sind Eigenart haben. Dieser juristische Begriff soll nicht sicherstellen, dass die Produkte seltsam oder verschroben sind, sondern dass das Produkt von eigener Art ist. Es muss sich also von den schon bekannten Erscheinungsformen abheben. Das gilt auch für Designs, die in anderen nationalen Ämtern eingetragen werden sollen, und auch für Designs, die beim EUIPO für die ganze EU geschützt werden können. Dort heissen sie jedoch aktuell auf Deutsch (noch) nicht Designs, sondern eingetragene Geschmacksmuster. Das europäische Recht kennt ausserdem als Besonderheit nicht eingetragene europäische Geschmacksmuster. Deren Schutz leitet sich aus einer Ausstellung oder etwas Vergleichbarem her, etwa einer Modenschau. Der Schutz besteht jedoch nur für 3 Jahre. Viele Produkte, die nicht eingetragen wurden und die schon lange auf den Markt gebracht werden, haben in den meisten Ländern darum keinen Schutz. 

Selbst beim iPad gelang der Schutz trotz Eintragung nicht, denn die Form war für eine wirksame Eintragung trotz Anmeldung nicht eigenartig genug. Samsung argumentierte ausserdem, schon im Film „2001: Odyssee im Weltraum“ habe Stanley Kubrick solche Tablets gezeigt, darum seien sie nicht neu. Trotzdem hat Apple in Deutschland gegen Samsung gewonnen. Denn das deutsche Recht bietet zusätzlich eine weitere Lösung, den wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz. Das Samsung Tablet sah dem iPad einfach zu ähnlich. Solche Nachahmungen sind in Deutschland verboten.

Bei Design denkt man zu erst an hochwertige Luxusprodukte von bekannten Marken wie Apple und nicht an Baumarktartikel. Doch genau solch eine Klage wegen einer sog. Handfugenpistole nahm der Bundesgerichtshof zuletzt zum Anlass, die Voraussetzungen des deutschen wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes herauszuarbeiten (BGH, Urteil vom 16.11.2017 – I ZR 91/16 – „Handfugenpistole“). Der Vertrieb einer Nachahmung kann gemäß § 4 Nr. 3 des Gesetzes wider den unlauteren Wettbewerb (UWG) wettbewerbswidrig sein, wenn das nachgeahmte Produkt wettbewerbliche Eigenart aufweist und besondere Umstände wie etwa eine vermeidbare Täuschung über die betriebliche Herkunft oder eine unangemessene Ausnutzung oder Beeinträchtigung der Wertschätzung des nachgeahmten Produkts hinzutreten, aus denen die Unlauterkeit folgt. Dabei sind umso geringerer Anforderungen an diese besonderen Umstände zu stellen, je größer die wettbewerbliche Eigenart und je höher der Grad der Übernahme sind.

Alles klar? Das bedeutet, man darf nicht den Eindruck erwecken, als wäre das Produkt von dem bekannten Ersthersteller, wenn der Eindruck vermeidbar ist, und man darf auch nicht seine Wertschätzung ausnutzen. Wann der Eindruck vermeidbar ist, wurde vom Bundesgerichtshof erklärt. Man muss Massnahmen ergreifen, um eine Täuschung zu vermeiden und ggf. Auf andere technische Lösungen ausweichen. 

Unterm Strich gilt also: Wenn ein Produkt nicht eingetragen ist, hat es ein Original-Hersteller sehr schwer, sich gegen Nachahmer zu schützen. In Deutschland hilft ihm vielleicht noch der wettbewerbsrechtliche Leistungsschutz, wenn er die Voraussetzungen darlegen kann. Das ist jedoch gar nicht so einfach. Umgekehrt müssen neu auf den Markt gebrachte Produkte überprüft werden, ob sie bereits vertriebenen Produkten zu ähnlich sind. Das lässt sich nicht nur durch einen Blick ins Designregister erkennen, es muss der ganze Markt durchleuchtet werden.

 

Zusammenfassend ergeben sich daraus drei Empfehlungen: 

  1.  Vor dem Produktlaunch muss eine Recherche über bestehende Rechte von anderen Herstellern durchgeführt werden, sowohl in Registern als auch auf dem Markt, insbesondere auf dem deutschen Markt. 

  2. Von den bestehenden Eintragungen und bereits vertriebenen Produkten muss ein ausreichender Abstand eingehalten werden. Notfalls muss das eigene Produkt umgestaltet werden. 

  3. Es empfiehlt sich, das eigene Produkt zu schützen, wenn möglich. Dadurch erlangt man zumindest eine gewisse wenn auch keine absolute Sicherheit, dass das Design benutzt werden kann. 

Text: Carsten Bildhäuser
Bild: Carrascal/Dindin Communication Design

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